FAMILIENRECHT – Wann muss bei bestehendem Unterhaltstitel mehr oder weniger Unterhalt gezahlt werden?
In vielen Fällen wurde eine Unterhaltsverpflichtung einer Person, die einer anderen Person Unterhalt schuldet, z.B. in Form von Kindesunterhalt oder Ehegattenunterhalt, in der Vergangenheit wirksam tituliert. Dies bedeutet, dass über die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt ein Titel vorliegt, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, sofern die Person, die Unterhalt schuldet, ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt.
Derartige Titel können gerichtliche Beschlüsse, vor einem Gericht geschlossene Vergleiche, notarielle Urkunden wie eine Scheidungsfolgenvereinbarung oder auch sog. Jugendamtsurkunden sein, mit denen eine Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt tituliert ist. Maßgeblich für die Höhe des zu zahlenden Unterhaltes sind die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners, auf die im Zeitpunkt der Titulierung abgestellt wird. Aus jenen Titeln kann so lange die Zwangsvollstreckung betrieben werden, wie der Titel in der Welt ist.
Wesentliche Änderung der Verhältnisse
Oft verändern sich im Laufe der Zeit jedoch die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person, die durch einen entsprechenden Titel zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist. So ist es beispielsweise möglich, dass sich die Einkommensverhältnisse desjenigen, der Unterhalt schuldet, durch Gehaltssteigerungen oder einen Jobwechsel dergestalt ändern, dass dadurch ein höherer Verdient erzielt wird als zu dem Zeitpunkt, in dem die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt tituliert wurde.
Umgekehrt kommt es jedoch auch häufig vor, dass ein Unterhaltsschuldner z.B. durch den Verlust seiner Arbeitsstelle oder eine längere Erkrankung auf einmal deutlich weniger Einkünfte erzielt als zur Zeit der Titulierung des Unterhaltes. Diese Problematik hat vor allem durch die aktuelle Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen, da sich die Einkommenssituation vieler Menschen durch Kurzarbeit oder auch vorübergehende Betriebsschließungen zum Negativen verändert hat.
Zudem ist es auch aus anderen Gründen möglich, dass eine Änderung der Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt der Titulierung des Unterhaltes eintritt. So kann z.B. eine zusätzliche Unterhaltspflicht des Unterhaltsschuldners durch die Geburt eines weiteren Kindes hinzugekommen sein. Auch in diesem Falle muss der Unterhalt neu berechnet und möglicherweise ein bestehender Unterhaltstitel abgeändert werden.
Voraussetzung ist in allen Fällen, dass sich die tatsächlichen oder aber auch die rechtlichen Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt der Titulierung wesentlich geändert haben müssen. Ob dies der Fall ist, kommt immer auf den jeweiligen Einzelfall an.
Was ist zu tun, wenn weniger Unterhalt gezahlt werden soll?
Begehrt eine zur Zahlung von Unterhalt verpflichtete Person, dass weniger Unterhalt gezahlt werden soll oder gar die Voraussetzungen vorliegen, dass eine Unterhaltsverpflichtung komplett entfällt, besteht die Möglichkeit denjenigen, der Unterhaltszahlungen aus einem entsprechenden Titel verlangen kann, dazu aufzufordern, auf die Rechte aus dem Unterhaltstitel entweder ganz oder jedenfalls teilweise zu verzichten, sog. Aufforderung zum Titelverzicht. Auch kann die Herausgabe des Unterhaltstitels verlangt werden, damit daraus nicht mehr die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.
Wird trotz entsprechender Aufforderung ein Titelverzicht nicht erklärt oder die Herausgabe eines bestehenden Unterhaltstitels verweigert, sollte ein gerichtliches Abänderungsverfahren eingeleitet werden. Ein solches Verfahren ist an unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen geknüpft, was auch davon abhängig ist, welche Art von Unterhaltstitel vorliegt.
Wie ist vorzugehen, wenn mehr Unterhalt verlangt wird?
Im umgekehrten Fall kann auch dann ein Abänderungsverfahren vor dem zuständigen Familiengericht eingeleitet werden, wenn sich der Unterhaltsschuldner trotz wesentlicher Verbesserung seiner Einkommensverhältnisse nicht dazu bereit erklärt, mehr Unterhalt zu zahlen als in der Vergangenheit tituliert wurde.
Viele derartige Fälle betreffen die Zahlung von Kindesunterhalt, allerdings ist es auch möglich, dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt herauf- oder herabgesetzt werden kann, insbesondere dann, wenn nachehelicher Unterhalt über einen längeren Zeitraum oder gar unbefristet tituliert ist. So besteht beispielsweise dann, wenn die unterhaltsberechtigte Person mit Erreichen des Rentenalters eine Regelaltersrente bezieht, nach der Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 04.07.2018 - XII ZB 122/17 keine Verpflichtung mehr zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt, wenn gleichzeitig im Rahmen der Scheidung der Versorgungsausgleich, also der Ausgleich der im Rahmen der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften, erfolgte.
Anwaltlicher Rat ist oft sinnvoll
Die Praxis zeigt, dass es leider oft vorkommt, dass sich bei einer Person, die durch einen Unterhaltstitel zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist, im Laufe der Zeit zwar die rechtlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse im Hinblick auf den zu zahlenden Unterhalt aus unterschiedlichen Gründen zum Negativen geändert haben, jedoch keine Schritte unternommen werden, einen Wegfall oder eine Reduzierung der titulierten Unterhaltsverpflichtung durch eine Aufforderung zum Titelverzichtet oder die Einleitung eines Abänderungsverfahrens zu erreichen.
Dies hat zur Folge, dass teilweise erhebliche Unterhaltsrückstände auflaufen oder aber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen, obgleich aufgrund einer Veränderung der wirtschaftlichen Situation kein oder jedenfalls weniger Unterhalt als zuvor gezahlt werden müsste. Solange ein entsprechender Titel vorliegt, kann nämlich aus diesem vollstreckt werden oder es laufen weitere Unterhaltsrückstände auf, unabhängig von der Änderung der Verhältnisse, wenn dazu nicht die entsprechenden Maßnahmen wie die Aufforderung zu einem Titelverzichtet oder die Einleitung eines Abänderungsverfahrens ergriffen werden.
Es ist deshalb zu raten, im Falle des Vorliegens eines Unterhaltstitels und einer wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse anwaltlichen Rat zu suchen, damit fachkundig überprüft werden kann, inwieweit die Abänderung eines Unterhaltstitels in Betracht kommt.
Mario Lamberty
Fachanwalt für Familienrecht